Das Triadische Ballett

Das Triadische Ballett hat sowohl Tanz- als auch Kunstgeschichte geschrieben. Im Rahmen der Tanzplattform Deutschland 2016 gastierte die Junior-Company des Bayrischen Staatsballetts am 4. und 5. März 2016 im Staatstheater Darmstadt.

Die Musik ist speziell, die Bühne vollständig in schwarz gehalten. Umso mehr wirken die 18 von Oskar Schlemmer auf Basis geometrischer Grundformen entworfenen Kostüme. Die „Tutus“ der Damen bestehen aus mit bunten konzentrischen Ringen bemaltem Sperrholz (optisch einem Brummkreisel nicht unähnlich), aus verschiedenfarbigen Kugeln oder aus Draht, die Herren stecken in ausgepolsterten Anzügen mit bunt bekringelten Ärmeln und Hosenbeinen oder tragen eine ärmellose goldene Kugel als Oberteil, dazu von einer weißen Krempe auf Hüfthöhe bis zu den Füßen gespannte helle Fäden. Ballett zu tanzen ist in dieser Art von Bekleidung sicherlich eine Herausforderung. Aber gerade weil die Kostüme die Bewegungsfreiheit der Tänzer auf unterschiedliche Arten einschränken, entsteht eine besondere Dynamik aus Kostümen, Bewegung und Musik, ein besonderes Zusammenspiel aus Raum, Form und Farbe. Und genau darum geht es, steht doch der Begriff „triadisch“, griechisch für Dreiklang, für eben diese mehrschichtige dreifache Ordnung. In der Originalfassung war die Aufführung für eine Tänzerin und zwei Tänzer konzipiert, die einzeln, zu zweit oder zu dritt tanzen.

Oskar Schlemmer (1888-1943), insbesondere durch seine Tätigkeit am Bauhaus bekannt, beschäftigte sich als Maler, Bildhauer und Bühnenbildner mit der korrespondierenden Beziehung zwischen Mensch und Raum. Der Tanz war dabei eine darstellerische Alternative zu seinen plastischen Werken. Zu seiner Entstehungszeit, zwischen 1912 und 1922, war das Triadische Ballett ein Gegenpol zu den freien Bewegungen des expressiven Ausdruckstanzes. Schlemmer hingegen war von Heinrich von Kleist beeinflusst, der in dem Essay „Über das Marionettentheater“ zu der Erkenntnis kommt, dass die Grazie „in demjenigen menschlichen Körperbau am reinsten erscheint, der entweder gar keins, oder ein unendliches Bewußtsein hat, d. h. in dem Gliedermann, oder in dem Gott.“

1912 begann in Stuttgart die Zusammenarbeit des Tänzerpaares Albert Burger und Elsa Hölzel mit Oskar Schlemmer. Während Burger und Hölzel auf der Suche nach einer neuen, modernen Form des Balletts waren, war Schlemmer mit der bildkünstlerischen Gestaltung betraut. Im Laufe der Zeit nahm Schlemmers Mitwirkung an dem Projekt jedoch einen immer größeren Anteil ein. Bei der Uraufführung 1922 stand er unter dem Pseudonym Walter Schoppe sogar selbst mit auf der Bühne. Nach der Premiere kam es jedoch zwischen ihm und den Tänzern zu Meinungsverschiedenheiten, da er sich auf dem von ihm gestalteten Programmzettel als für die Tanzgestaltung verantwortlich ausgegeben hatte. Per Gericht wurde entschieden, dass Oskar Schlemmer die sechs von ihm getragenen Kostüme behalten durfte, auch wenn diese von den Burgers bezahlt worden waren; beide Seiten erhielten das Recht, die fehlenden Kostüme zu ergänzen sowie das Triadische Ballett eigenständig aufzuführen, wobei die Burgers verpflichtet wurden, hierbei Schlemmer für die Kostümentwürfe namentlich zu nennen. Die Burgers haben im Gegensatz zu Schlemmer die fehlenden Kostüme jedoch nicht mehr ergänzt und das Triadische Ballett als Ganzes nicht selbständig aufgeführt.

Aus der Ursprungszeit erhalten sind heute lediglich einige der Originalkostüme, Fotografien, Aufzeichnungen und Rezensionen. Auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten wagte der Choreograph Gerhard Bohner (1936-1992) in den 1970er Jahren eine Rekonstruktion auf Basis des vorhandenen Materials. Gerhard Bohner war von 1972 bis 1975 Chefchoreograf des Tanztheaters am damals neu gebauten Staatstheater Darmstadt. Schon zu dieser Zeit hatte er sich mit der Rekonstruktion von Bauhaustänzen beschäftigt, 1977 erarbeitete er eine choreografische Neufassung des Triadischen Balletts in voller Länge an der Westberliner Akademie der Künste.

Aufgrund der mangelnden Aufzeichnungen lässt sich das Stück nicht originalgetreu rekonstruieren. Bohner studierte die Entstehungs- und Werkgeschichte, folgte den Formideen Schlemmers und lotete den Spielraum der Tänzer in den rekonstruierten Kostümen aus. Die Musik schrieb der Komponist Hans-Joachim Hespos (in den 1920er Jahre gab es keine festgelegte Musik).

Nach zahlreichen Aufführungen zwischen 1977 und 1989 verschwand das Triadische Ballett von den Bühnen, nicht zuletzt, weil es immer wieder Probleme mit den Erben Schlemmers im Umgang mit dem Nachlass des Künstlers gegeben hatte.

2014, 20 Jahre nach Gerhard Bohners Tod  und 70 Jahre nach dem Tod Oskar Schlemmers initiierte die Akademie der Künste im Rahmen von TANZFONDS ERBE wiederum die Neueinstudierung von Bohners Stück. Ivan Liška und Colleen Scott, die in den 1970er und 1980er Jahren beide zu den Solisten gehörten, haben das Werk gemeinsam mit der Junior Company des Bayerischen Staatsballetts erneut auf die Bühne gebracht. Dafür sind die von Gerhard Bohner geschaffenen Tanzkostüme in den Werkstätten des Bayerischen Staatsballetts restauriert worden.

Anders als bei der Uraufführung 1922 gibt es heute ein lebhaftes Interesse beim Publikum. Wer die Gelegenheit hat dieses intelligente und durchaus humorige Experiment einmal live anzusehen, solle diese nutzen!

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